Ein Impulskauf führte letzte Woche zu einem seltenen Gast in meinem Kühlschrank. Topinambur, die seltsame Knolle, hatte noch nicht oft die Ehre, im Hause H. weilen zu dürfen. Während Herr H. die Kochbücher nach geeigneten Rezepten durchkämmte, ließ ich meine Gedanken schweifen. Da war doch etwas gewesen? Irgendwo gab es doch eine exquisite Verwendung, wo hatte ich sie bloß gesehen? Die Rezepte aus den aktuellen Kochbüchern kreisten in erster Linie um Cremesuppen, Gratins und Rohkost. Nichts dabei, was mich auch nur annähernd in Kochlaune versetzen würde. Herr H. seufzte. Da fiel es mir auf einmal ein. Die Tortelloni, natürlich! Es war zwar schon knapp drei Jahre her, dass ich das Rezept zum ersten Mal gesehen hatte, aber wie üblich hatte mich mein Elefantengedächtnis gerettet. Eilig machten wir uns ans Werk.
Für den Pastatteig:
- 90 g Weizenmehl 405 er
- 40 g Hartweizenmehl
- 1 Ei und 1 Eigelb
- 1 Spritzer Olivenöl
- 1 Pr. Salz
- evtl. 1 – 2 EL Wasser
Ich gab alle Zutaten für den Teig bis auf das Wasser in eine Schüssel, vermengte sie grob mit dem Löffel und knetete den Teig von Hand ca. 10 Minuten lang. Bröselt er nach 5 minütigem Kneten noch zu stark, füge ich noch etwas Wasser hinzu, aber keinesfalls zuviel, da der Teig in der Ruhezeit noch feuchter wird. Abgedeckt ließ ich ihn bei Raumtemperatur ca. 2 Stunden ruhen.
Für das Kümmelöl:
- 1 EL Kümmelsamen, grob gemörsert
- 30 g Olivenöl
Als nächstes stellte ich das Kümmelöl her. Es sollte zwar idealerweise 2 Tage bei 50°C auf der Heizung ziehen – so warm ist unsere eh nicht – , aber ich erinnerte mich daran, dass Frau Grandits bei der Herstellung solcher Gewürz- und Kräuteröle einen anderen Weg wählt. Also gab ich gemörserten Kümmel und Öl in einen kleinen Topf, erwärmte es auf 70°C und ließ es bis kurz vor der Verwendung (etwa 3 Stunden) ziehen. Herr H. siebte den Kümmel dann mit dem feinsten Sieb ab. Das Kümmelaroma war in der Zeit kräftig genug auf das Öl übergegangen.
Für die Füllung:
- 400 g Topinambur (300 g geschält, in kleine Stücke geschnitten)
- 1 kleine Schalotte, fein gewürfelt
- 30 g Weißwein
- 40 g Gemüsefond (ich: Geflügelfond)
- 40 g Sahne
- Salz
- 1 Macisblüte (ich: 1 Pr. Muskat)
- 25 g braune Butter
Ich schwitzte die Schalotte in wenig Olivenöl farblos an, gab die Topinamburwürfel hinzu und löschte mit etwas Weißwein ab. Nach kurzem Reduzieren gab ich Fond und Sahne hinzu, würzte mit Salz und Muskat und ließ alles abgedeckt ca. 15 Minuten köcheln bis die Topinamburwürfel gegart waren. Dann gab ich alles in den Zerkleinerer und ließ ihn laufen bis eine feine Masse entstanden war. Doch oh Schreck! Sollte sie so dermaßen flüssig sein? Herr H., der inzwischen die Butter gebräunt und abgesiebt hatte, besah zweifelnd das Ergebnis meiner Bemühungen. Damit würden wir im Leben keine Pasta füllen können, zumal die braune Butter noch nicht hinzugefügt war. Da half nur Plan B. Zum Glück hatten wir ausgerechnet an diesem Abend rechtzeitig angefangen zu kochen. Ich rührte die braune Butter unter, schmeckte noch einmal mit Salz und Muskat ab und gab den flüssigen Brei auf einen tiefen Teller, den ich in den auf 80°C Umluft vorgeheizten Ofen stellte. Von Zeit zu Zeit überprüfte ich die Konsistenz, rührte den Brei durch und nach einer guten Stunde war es endlich soweit. Ich ließ die Füllung abkühlen, während ich den Pastateig portionsweise bis Stufe 7/9 durch die Maschine ließ. Aber wie um alles in der Welt formt man Tortelloni?
Es ist im Grunde viel einfacher als man denkt. Ich stach aus den Pastabahnen Kreise mit 9 cm Durchmesser aus, setzte einen gehäuften TL Füllung darauf, bepinselte den Rand mit wenig Wasser und klappte den Teig über der Füllung zu einem Halbmond zusammen. Dann bog ich beide Außenseiten zum “Bauch” des Mondes, befeuchtete je einen Zipfel und drückte sie fest zusammen. Dabei stellte ich fest, dass ich den Teig gut noch eine Stufe feiner hätte auswalzen können. Nächstes Mal. Es ging auf jeden Fall überraschend schnell, alle Tortelloni herzustellen. Ich lagerte sie bis zum Kochen auf einer begrießten Leinwand. Herr H. garte sie kurz vor dem Servieren ca. 4 Minuten in siedendem Wasser.
Für den Speckschaum:
- 1 EL Olivenöl
- 1 kleine Schalotte, fein gewürfelt
- 2 Scheiben Speck, gewürfelt (ca. 20 g)
- 1 Schuss Weißwein
- 100 g Gemüsefond (ich: Geflügelfond)
- Salz
- 30 g Sahne
Da ich es noch nie geschafft habe, einen “standhaften” Schaum zu produzieren, war ich einigermaßen skeptisch. Doch dieser Teil des Rezepts funktionierte tadellos. Ich zerließ die Speckwürfel, schwitzte die Schalotte darin farblos an, löschte mit etwas Wein ab und ließ ihn einreduzieren. Dann gab ich Fond und Sahne hinzu und ließ alles 10 Minuten offen köcheln. Herr H. gab die Sauce in den hohen Mixbecher und pürierte alles, bis sich an der Oberfläche ein stabiler Schaum bildete. Ich schöpfte ihn über die angerichteten Tortelloni, er mixte erneut und so fort. Zum Schluss garnierte ich die Teller mit etwas knusprig gebackenen Speckbröseln, Kümmelöl und Zitronenthymian.
Fazit: Nachdem wir die ersten Tortelloni gekostet hatten, kehrte andächtiges Schweigen ein. Ein unfehlbares Zeichen für absoluten Hochgenuss. Die leicht süße Topinamburfüllung harmonierte perfekt mit dem herben Kümmelöl, dem kräftig salzigen Speck und der Frische des Zitronenthymians. Herr H. merkte nach dem Essen an, dass man außer Haus wohl eine Weile suchen dürfte, bis man einen so perfekten Teller gefüllter Pasta serviert bekäme und ich konnte ihm nur zustimmen. Mag die Zubereitung dieses Essens auch etwas holprig gewesen sein, das Ergebnis war definitiv alle “Mühen” wert!
Beim Speckschaum — kann das sein, dass Du da den Speck im Rezpet vergessen hast? Ich hätte zwar so eine Idee, aber sicher bin ich mir nicht wann und wie er dazu kommt.
Danke für den Hinweis, habe es schon ergänzt. 🙂
Also, zum Ersten sind die ja bildschön geworden, Deine Tortelloni. Topinambut mag ich gern, ich freue mich immer, wenn ich welchen auftreiben kann. Sollte also mal wieder welcher da sein, weiss ich, was ich zu tun habe 🙂
Danke, Susanne. 🙂 Ich kann dir das Nachkochen nur dringend empfehlen!
Bei uns gab es diese Woche gebratene Topinambur mit Misobutter. Auch sehr gut, aber lange nicht so hübsch wie deine Tortelloni.
Misobutter? Da werde ich gleich ganz hellhörig. Wie hast du sie gemacht?
Dein Gedächtnis ist wirklich bewundernswert, ich konnte mich nicht mehr erinnern, dass ich das einmal gekocht hatte.
Geht mir mit einigen Sachen auch so. Diese Tortelloni kann ich auf jeden Fall empfehlen. 😉
Gras klingt nach einem vorzüglichen und nachkochenwertem Rezept!
Schönen Sonntag, ihr beiden!
Maren
‘Das’ natürlich und nicht ‘Gras’ , olle Worterkennung ?!!
Es geht doch nichts über eine gute, altmodische Tastatur. 😉
Danke, Maren. Gutes Gelingen!
Liebe Grüße,
Eva
Es geht eben nichts über eine Elefantin. Das Ergebnis schmeckt bestimmt.
Das tat es. 🙂
Topinambur wächst bei mir auf Balkonien, allerdings sind meine Knöllchen so klein, dass es mir immer zu mühsam ist, die zu schälen. Allerdings brauch man für dieses Rezept ja gar nicht so viel. Mal schauen, ob ich mich zu Grabungsarbeiten durchringen kann. Sehr schön ausschauen tun deine Tortelloni auf jeden Fall!
Ich weiß, das Schälen auch von größeren Knöllchen ist eine wahre Sisyphus-Arbeit. Aber es lohnt sich definitiv! 🙂
Da hab ich jetzt in der Eile gelesen: eine Sixty-plus Arbeit. Passt auch.
Ich sage nur: WOW!
Gewissermaßen. 😉
Und, danke Ilse! Die bekommst du sicher genauso gut hin!
Was für Prachtstück – die sehen wirklich großartig aus! Ich muss unbedingt auch mal wieder Tortelloni machen. Ich habe schon Ewigkeiten keine mehr gegessen… Die Sehnsucht wächst enorm bei diesen Bildern 😀
Danke, Sandra. Die Tortelloni zu formen dauert war ein wenig, aber ich finde, es ist jede Minute wert! 🙂
Ganz wunderschön und perfekt sehen sie aus, Deine (Eure) Ravioli. Ein sehr appetitliches Rezept.
Liebe Grüsse aus Zürich,
Andy
Danke, Andy. Und, hattest du Roberts Rezept auch noch im Hinterkopf? 😉
Liebe Grüße aus dem heute herrlich sonnigen Hamburg,
Eva
… in den allertiefsten Hinterkopfschubladen … viellecht 😉
Ich empfehle das Nachkochen! 🙂
Speckschaum, Kümmelöl, mit Topinambur gefüllte Teiglinge: oh Mann, selten so früh morgens von Null auf Hundert in solch grosse Kochlaune gestolpert 🙂 Topinambur hatte ich letztes Jahr im Garten gezogen und sie meist simpel als Ofengemüse mit Würzöl zubereitet. Für nächstes Jahr jedenfalls reserviere ich mir wieder ein Beet… und hoffe, mein Gedächtnis ist so fit wie deines 😉
Danke, Marco. Ein großes Kompliment, doch es gebührt wie immer eher dem Urheber des Rezepts… 😉 Und die Tortelloni kann ich dir nur wärmstens ans Herz legen!
[…] Für den Speckschaum: […]