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Gut improvisiert

Gulasch Tim Raue 1-1

Was tun, wenn das vermeintliche Jundrindfilet in der Mitte von einer recht dicken Sehne durchzogen ist und sich auch nach ausgiebiger Bildrecherche nicht eindeutig feststellen lässt, aus welchem Körperteil des Tieres es ursprünglich stammt? Der Reihe nach. In Erwartung einer größeren Lieferung raren Heckrinds mussten Herr H. und ich dringend Platz im Eis schaffen. Das Wetter spielte freundlicherweise mit und wir überlegten bereits am Vorabend, was wir alles mit dem köstlichen Filet anstellen könnten. Als ich es am nächsten Abend aus der Folie befreit und genauer betrachtet hatte, zeigte sich eine sehr dicke Sehne, die sich längs durch das komplette Stück zog und auch ansonsten war das Fleisch eher “durchwachsen” und nicht schier, wie es ein Filet eigentlich sein sollte. Der zurate gezogene Herr H. stimmte mir zu und zückte sogleich das passende Alternativ-Rezept. Es hatte nur einen winzigen Haken. Das fertige Gulasch sollte einen Tag “ziehen”. Zum Glück befanden sich auch noch Berlingots im Tiefkühler. Wieder mehr Platz geschaffen und diverse Fliegen mit einer Klappe geschlagen.

Für das Gulasch (sollte am Vortag bereitet werden):

  • 500 g Rinderbrust, in Würfel von 3 x 3 cm geschnitten
  • Pflanzenöl
  • Salz
  • 260 g weiße Zwiebeln, in Würfel von 3 x 3 cm geschnitten (ich: Gemüsezwiebel)
  • 13 g Paprikaflocken, getrocknet
  • 33 g Rotwein
  • 660 g Grundjus (ich: Kalbsfond)
  • 1 sehr kleine Knoblauchzehe, geschält
  • 1 g Kreuzkümmel, gemahlen
  • 1,6 g Zitronenöl (ich: Abrieb, fein gehackt)
  • roter Tabasco
  • 3,3 g Piment d’Espelette
  • schwarzer Pfeffer
  • 66 g scharfe Knackwurst (möglichst roh), in Scheiben von 3 mm geschnitten
  • 166 g rote Paprika (ich: 1 Spitzpaprika), entkernt, mit Rapsöl bestrichen und bei 200°C mit der Hautseite nach oben ca. 15 Minuten gebacken

gulasch serie

Herr H. briet die Fleischwürfel in dem Öl portionsweise allseitig scharf an, gab die Zwiebeln hinzu und röstete sie kurz mit an. Ich streute die Paprikaflocken darüber, goss den Rotwein an und ließ ihn fast vollständig reduzieren. Herr H. gab Fond und Knoblauch hinzu und ließ das Gulasch abgedeckt schwach köcheln bis das Fleisch zart war. Das dauerte ca. 3 Stunden. Nach dem Abkühlen stellte ich das Gulasch kalt. Am nächsten Abend entnahm ich den Knoblauch und erwärmte das Gulasch langsam bei milder Hitze. Herr H. häutete die Paprika, schnitt sie in eher große Stücke und gab sie zum Gulasch. Ich schmeckte das Gulasch mit den restlichen Gewürzen ab und gab die Wurstscheiben hinein. Bis zum Servieren stellte ich das Gulasch warm.

Für die Semmelknödel (ergibt ca. 8 golfballgroße):

  • 100 g altbackene Brötchen, gewürfelt
  • 83 g Milch
  • 16 g Schalotte, sehr fein gehackt
  • 16 g Speck, sehr fein gewürfelt
  • 1 Ei Gr. L
  • 16 g Petersilie, gehackt
  • Muskatblüte, gemahlen
  • Salz
  • weißer Pfeffer aus der Mühle
  • Butter zum Anbraten

Knödel Serie

Die krummen Mengenangaben resultieren natürlich daraus, dass wir das Rezept gedrittelt haben. Semmelknödel also. Ich muss gestehen, dass ich weder jemals welche gegessen noch zubereitet habe. Asche über mein Haupt, aber hier im Norden sind sie einfach nicht üblich. Ich war sehr gespannt. Ich kochte die Milch auf, gab sie über die Brötchenwürfel und vermengte alles gründlich. Nach dem Abkühlen stellte ich die Masse für 30 Minuten in den Kühlschrank. Herr H. zerließ den Speck in der Pfanne, schwitze die Schalotte darin an und gab alles zum Abkühlen in eine Schale. Ich verquirlte das Ei mit der Petersilie. Dann gab ich alles Zutaten zum eingeweichten Brötchen und verknetete sie zu einer homogenen Masse. Ich formte eher kleine Knödel daraus und ließ den ersten probehalber in siedendes (nicht kochendes!) Salzwasser gleiten. Er stieg langsam auf und schwamm danach brav an der Oberfläche ohne zu zerfallen. Also gab ich die restlichen Knödel hinzu und ließ sie ca. 10 Minuten ziehen. Herr H. schwenkte die abgetropften Knödel in schäumender Butter und stellte sie bis auf den einen, der auf dem Fototeller landete, warm.

Gulasch Tim Raue 2

Fazit: Normalerweise halte ich mich von jeglichen Superlativen tunlichst fern, aber in diesem Fall muss ich einfach sagen, dass das das beste Gulasch war, dass ich je in meinem Leben kosten durfte und ich habe schon recht viele unterschiedliche Rezepte ausprobiert. Herr H. stimmte auf ganzer Linie zu, merkte jedoch an, dass die Knödel wahrscheinlich etwas zu fest geraten seien. Er habe zwar auch noch keine probiert, könne sich jedoch gut vorstellen, dass sie “fluffiger” gehörten. Fest hin oder her, mir schmeckten auch die Knödel ganz ausgezeichnet und vielleicht hat ja der ein oder andere Knödelexperte noch einen guten Tipp für mich. Das Gulasch wird es auf jeden Fall von nun an hier öfter geben.

Aus: Deutscher Wein Deutsche Küche Paula Bosch, Tim Raue

25 Kommentare

  1. So gerne ich Semmelknödel esse, so gerne drücke ich mich vor der traditionellen Herstellung. Ich verfrachte die (Laugen)Brötchenmasse einfach in eine ausgebutterte Form und schiebe sie in den Backofen, bis sie schön luftig und hübsch gebräunt ist. Nach etlichen Knödeln, die im Topf auseinanderfielen, am Ende gummig oder steinhart waren, ist Backen für mich die perfekte Lösung.

    • Eva Eva

      Danke für den Tipp. Das werde ich bei nächsten Mal definitiv ausprobieren. 🙂

      • cooci cooci

        hm, mein bischen Erfahrung mit Knödeln aller Art sagt mir: Die Ei-Menge bezogen auf die Gesamtmasse ist wohl ein wenig hoch. Richtig fluffig werden Knödel nur, wenn sie gerade so zusammenhalten. Semmelnknödel oder Serviettenknödel brauchen im Unterschied zu Kartoffelknödeln wenig Ei.
        Aber richtig Hunger kann man von den Fotos schon bekommen.

        • Eva Eva

          Danke, Philipp. Werde die Eimenge beim nächsten Mal anpassen. Wir sind auf den Geschmack gekommen. 😉

    • cedric cedric

      Wenn man alles exakt der Angabe macht gelingt alles wie geplant.
      Hart durch zu wenig Flüssigkeit und zerfallen durch zu wenig Eigelb bzw ungetrenntes Ei.

      Mir gefallen die Knödel nicht so wirklich (Konsistenz) trotz dessen sind sie sehr lecker.

  2. Peter Peter

    Das liest und schaut sich sehr lecker an! Beim Nachkochen werde ich aber altbackene Laugenbrezn statt Semmeln nehmen – das schmeckt mir deutlich besser. Könnte das Fleisch ein (deutsches) “falsches Filet” aus der Schulter gewesen sein? Das hat eine durchgehende Sehne und ist ideal zum Schmoren! Kurioserweise gibt es en France auch ein “faux-filet” aus der Hochrippe ohne Sehne.

    • Turtle Turtle

      Ich hätte auch “falsche Lende” vermutet aufgrund der dicken Sehne. Macht hervorragende Schmorgerichte. Ich nehmes es gern für Chili (Hackfleisch im Chili ist evil).

      • Eva Eva

        Ich finde Hackfleisch (neben etwas Speck) im Chili gar nicht “evil”. 😉

    • Eva Eva

      Laugenbrezn. Klar. Hätte ich auch selbst drauf kommen können. Ob das Stück aus der Schulter gewesen sein könnte, lässt sich nun nur noch schlecht feststellen. Es hatte auf jeden Fall einen Durchmesser von mindestens 10 cm…

  3. Was für ein Glück, das mit der Sehne – im Nachhinein betrachtet 😉
    Dein Gulasch sieht wieder einmal überaus köstlich aus, mitsamt dem Knödel. Ich kenne das übrigens nicht, einen Semmelknödel nach dem Kochen noch in Butter zu schwenken und leicht anzubräunen – halte es aber für eine überaus gute Idee!
    Liebe Grüße!

    • Eva Eva

      Danke schön! Ja, irgendwie schon. 🙂
      Liebe Grüße und einen herrlichen Sonntag euch!

  4. Gulasch, wie hervorragend. Und was die Knödel angeht- ich Knödel-Legasthenikern habe mich auf den Serviettenknödel spezialisiert, der keine Chance auf Auseinanderfallen und jede auf Fluffigkeit hat- Rezept ist bei der Ninive zu finden.

    • Eva Eva

      Die Servietten-Variante hatte ich auch aus denselben Gründen in Erwägung gezogen, aber ich wollte es einfach wissen und auseinander gefallen sind sie ja zum Glück nicht. 🙂

  5. Sag mal, wie zufrieden bist du mit dem Buch? Ich hab nämlich von einer Bekannten gehört, dass es sehr schlampig gemacht sein soll und viele Fehler hat – ist das so?
    Fein sieht dein Semmelknödel aus! Wir Österreicher sind ja Knödelweltmeister ;-). Fluffiger als Semmelknödel wird Serviettenknödel, solltest du auch mal probieren! Die besten macht mein Mitkoch :-))

    • Eva Eva

      Als Inspiration finde ich das Buch sagenhaft gut. Fehler habe ich bislang noch nicht gefunden. Einziges Manko: bei manchen Rezepten sind nur die Teilabschnitte beschrieben und es fehlen wichtige Informationen zum Fertigstellen. Selbst ich rätsele da manchmal ganz schön herum. Aber insgesamt gehört das Buch für mich (zumindest den Rezeptteil betreffend) zu den besseren und davon gibt es nicht mehr viele…
      Schickst du den Mitkoch mal vorbei? 😉

  6. Basler Dybli Basler Dybli

    Etwas für mich ! 🙂
    Gulasch mit der Zugabe von Knackwurst ist neu für mich. Die übrigen Zutaten sind bei mir plus/minus die selben. Mal sehen wie ich das nächste Gulasch zubereite … ?

    • Eva Eva

      Das dachte ich mir schon. 🙂

  7. Schmorgerichte gehen doch immer! Nächstes Mal werde ich mich mal an deine Zubereitung halten.
    Es ging mir letzthin grad gleich: zwar nicht wegen einer Sehne, aber weil das Rindsfilet wieder einmal völlig unprofessionell zersäbelt wurde (was man leider erst nach dem Entfernen der satten Plastikfolie sieht).
    Also, nicht lange sinnieren – IMPROVISIEREN!

    • Eva Eva

      Das stimmt. Bei uns stehen wohl demnächst Rouladen auf dem Speisezettel.
      Und so langsam klappt das mit der Improvisation auch hier ganz gut – es fehlen nicht mehr arg so viele Grundlagen. 😉

  8. Du meinst das kann mit dem Wirtshausgulasch der Frau Ziii konkurrieren? Dann muss ich das wohl mal ausprobieren. Nach dem Urlaub.
    Semmelknödel werden lockerer, wenn man die Masse nicht zu heftig knetet.

    • Eva Eva

      Das finde ich schon, wobei der natürlich in eine ganz andere Liga gehört (habe ich auch schon mal gemacht).
      Das mit dem Kneten hatte Herr H. auch schon vermutet. Ich war da möglicherweise etwas zu motiviert am Werk. 😉
      Schönen Urlaub!

  9. Bea Bea

    Schönes Gericht. Knödel aus altem Brot (Semmeln essen wir gewöhnlich frisch auf…) mache ich nach einem ähnlichen Rezept. Anstelle von Sieden gare ich sie im Steamer. So werden sie wunderbar fluffig. Man kann sie auch noch in Butter drehen, aber nicht braten.
    Gruss Bea

    • Eva Eva

      Danke, Bea! Gute Idee, das mit dem Steamer. Wird probiert.
      Liebe Grüße,
      Eva

  10. Es ist nicht gut, hungrig dein Blog zu lesen. Es ist nicht gut, hungrig dein Blog zu lesen. Es ist nicht gut, hungrig dein Blog zu lesen. Es ist nicht gut, hungrig … 😉

    Mal ein wenig geraten: So wie du das Stück Rindvieh beschreibst, klingt es fast ein bisschen nach Onglet/Nierenzapfen (https://goo.gl/OuzViw). Da läuft in der Mitte ja in der Tat eine Mordsehne durch. Könnte das sein?

    • Eva Eva

      😉
      Da wir schon mehrere Onglets in den Fingern hatten, kann ich definitiv ausschließen, dass es eins war. Dieses Rätsel wird wohl nicht mehr zu lüften sein. Denke aber erneut wieder darüber nach, meine “Fleisch-Kenntnisse” zu vertiefen… 🙂

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