Die Küche Großbritanniens ist mir kaum bekannt, obwohl das Land fast um die Ecke liegt. Das liegt nicht zuletzt an den schlimmen kulinarischen Erfahrungen, die ich mit 14 Jahren bei einem Schüleraustausch in Scunthorpe/ Northumberland machen musste. Die Mutter meiner Austauschschülerin war keine begeisterte Köchin. Außer an Toast mit Erdnussbutter kann ich mich an nichts Erwähnenswertes erinnern. Das Essen in der Schulkantine war absolut ungenießbar. Nur ein Sonntagsessen bei den Großeltern der Austauschschülerin offenbarte Interessantes wie Yorkshire-Pudding und Co., für die ich mich damals aber wenig erwärmen konnte. Das beiliegende Gemüse, das mich viel mehr interessierte, war weit jenseits des Garpunktes. Als Herr H. mir also begeistert vorschlug, wir müssten unbedingt ein englisches Cobbler-Rezept ausprobieren, sprang ich nicht gleich jubelnd vom Stuhl, aber ich ließ mich wie üblich überreden. Zumal der Name des Gerichts nicht, wie ich zunächst vermutet hatte, von cobble/ Pflasterstein, sondern von cobbler/ Flickschuster herrührt. Nichts Steinschweres, sondern etwas Zusammengeflicktes. Interessant.
Für das Rindfleischragout mit Fenchel und Champignons:
- 500 g Rinderschmorfleisch, in mundgerechte Stücke geschnitten
- Salz
- 1 TL Mehl
- 1 TL edelsüßes Paprikapulver
- Butterschmalz zum Anbraten
- 1 Zwiebel, in dünne Scheiben geschnitten
- 1,5 Fenchelknollen, geputzt, grob gewürfelt
- 1 kleine Möhre, fein gewürfelt
- 1 Stückchen Knollensellerie, fein gewürfelt
- 75 g trockener Weißwein
- 500 g Rinder- oder Gemüsebrühe
- 1 EL Tomatenmark
- 250 g braune Champignons, blättrig geschnitten
- 1 Prise Oregano
- 1 TL Butter
Im Rezept steht, man solle das gewürfelte Fleisch in Mehl, Paprika, Pfeffer und Salz wenden und es danach anbraten. Außer Leber mehliere ich normalerweise nichts, was ich hinterher anbrate. Und wird Paprikapulver nicht bitter, wenn man es länger anbrät? Ich entschied mich für einen Kompromiss, mehlierte und salzte und briet die Würfel dann portionsweise an. Das werde ich allerdings nicht wiederholen, denn durch das Mehl setzten die Stückchen viel mehr an. Ich legte das Fleisch beiseite, briet die Zwiebeln schonend weich (ca. 8 Minuten), gab Fenchel, Möhre, Sellerie und Tomatenmark hinzu, ließ sie ca. 6 Minuten sanft braten und löschte mit dem Wein ab. Nachdem er ungefähr zur Hälfte reduziert war, gab ich das Fleisch in den Topf, bedeckte es mit Brühe und ließ das Ragout ca. 1,5 Stunden sanft köcheln. Als das Ragout fast fertig war, briet ich die Champignons zunächst ohne Fett an, gab, als sie zu bräunen begannen, Butter und Oregano hinzu und hob sie unter das Ragout.
Für den Cobbler-Teig:
- 112 g Weizenmehl 405 er
- 4 g Backpulver
- 2 g Salz
- 37 g kalte Butter, gewürfelt
- 50 g Buttermilch
- 1 sehr kleines Ei (ca. 30 g) oder 1/2
Herr H. gab Mehl, Salz, Backpulver (alles gemeinsam gesiebt) und Butterwürfel in einer Schüssel und zerrieb alles zu einer krümeligen Mischung. Dann verquirlte er Buttermilch und Ei und knetete sie unter. Flachgedrückt durfte der Teig in Folie gewickelt nun 30 Minuten kalt ruhen. Ich rollte ihn dann zwischen Folie aus (ca. 7 mm dick) und legte ihn noch einmal für einige Minuten ins Eisfach, da er sehr weich und klebrig war. Dann stach ich mit dem 6,5 cm Dessertring Kreise aus und legte sie leicht überlappend auf das Ragout.
Das Ergebnis sah tatsächlich recht zusammengeschustert aus. Ich bestrich die Teigkreise mit Eigelb und schob den Bräter in den auf 200°C vorgeheizten Backofen. Nach ca. 30 Minuten waren die Teigkreise appetitlich gebräunt. Ich ließ den Topf noch 5 Minuten ruhen, bevor ich uns eine Portion auffüllte. Herr H. schnappte sich einen Teller und war nur wenige Minuten später wieder zurück. Erwartungsvoll setzten wir uns an den Tisch.
Fazit: Ich probierte zunächst ein Stückchen Teig. Es war luftig, saftig und hatte sich auf der Unterseite mit der köstlichen Sauce voll gesogen. Das Ragout war zwar schlicht, aber nicht minder schmackhaft. Herr H. stimmte mir zu und fragte, nachdem wir sukzessive tatsächlich den ganzen Topf geleert hatten, ob ich nun nicht Willens sei, meine Meinung über die britische Küche zu revidieren. Ihm habe es sehr geschmeckt und die praktische “Eintopfzubereitung” sage ihm zu, eine perfekte Lösung, wenn gerade mal kein Brot im Tiefkühler sei. Ich musste nicht lange überlegen und werde mich in Zukunft verstärkt bei den Inselbewohnern umsehen.
Aus: Tartes, Quiches und Pies – Köstliches aus dem Ofen Caroline Bretherton, Jane Bamforth
Oh lecker, genau mein Geschmack! Und diese Deko mit den Teigkreisen sieht super aus.
England ist kulinarisch gar nicht mehr so übel. Wie die Küchenschabe war ich grad im St. Johns bei Fergus Henderson und sehr positiv überrascht.
Das Rezept würde sicher auch sehr gut mit einem englischen Pale Ale schmecken.
Liebe Grüsse
Oh, das freut mich! Danke für das Kompliment!
Ich muss gestehen, dass ich ewig nicht mehr in England war, irgendwie kam immer etwas anderes dazwischen. Vielleicht schaffen wir es nächstes Jahr.
Liebe Grüße,
Eva
mit englischer Küche hab ich auch keinerlei Erfahrung- außer Toast, gesalzene Butter und Orangenmarmelade – eine klassische Kombi die ich sehr mag.
Und Cobbler kenn ich nur in süß, aus den USA… diese Variante find ich gut- und würd halt was anderes anstelle der Champignons reintun.
Witzig. Das mit der Salzbutter und der Orangenmarmelade kenne ich auch Dänemark. Superlecker! Süßen Cobbler gibt es auch, ist dann ja fast irgendwie ein Crumble…
Cobbler hat glaub ich eine mehr teigige Decke, Crumble ist bröseliger, Krümel halt….
Das stimmt. Aber der Teig ist schon recht ähnlich. 🙂
So, zack und schon auf der Nachkoch-Pinwand! 😀
Lustigerweise hatte ich trotz zweimaligem Schüleraustausch nicht ein einziges traumatisches Ess-Erlebnis in England. Und mittlerweile habe ich schon sehr viele Kochbücher von englischen Köchen daheim, die gehören zu meinen Lieblingen.
Die Kombination, die Ninive oben beschreibt, nämlich Toast mit gesalzener Butter und Orangenmarmelade aus Bitterorangen gehört wirklich zu den ganz genialen Genüssen! Oder Erbsenmash mit Minze. Oder Fish & Chips mit dem richtigen Essig. Oder … okay, ich hör auf. 😉
Da scheinst du Glück gehabt zu haben. 🙂 Ich verband nach dem traumatischen Erlebnis eher so Köche wie Jamie mit England und der kocht ja auch eher “italienisch”, deshalb blieb ich lieber gleich dort. Aber ich lag scheinbar völlig falsch.
Fish und Chips, gut dass du sie erwähnst, ich habe noch wunderbaren Kabeljau im Eis!
Ich LIEBE Pot Pies oder Cobbler oder wie immer man das nennen will, siehe hier: http://milchmaedchen-milchmaedchen.blogspot.de/2013/03/winteressen-welcome-back-malted.html . Die Idee, Mürbeteig auf herzhafte Ragouts zu legen – mit Fleisch, ohne – ist nichts als grandios und wird darum im Winter in diversen Varianten zelebriert. Gerade wartet wieder ein Kürbis auf Verarbeitung… vielleicht sollte ich den Ursprungsplan – ein Gratin – nochmal überdenken.
Herzliche Grüße!
Das klingt nach einer herrlichen Geschichte! Du bist dann ja doch beim Ursprungsplan geblieben – was sehr gut war! 🙂
Liebe Grüße,
Eva
Ich hatte mit einem Cobbler auch etwas Süßes assoziiert – wieder was gelernt, danke 🙂
Und ich denke, dass die englische Küche sich doch gewandelt hat. Genau wie die deutsche, übrigens 🙂
Gern geschehen, ich habe es ja auch eben erst erfahren. 😉
Ja, du hast recht. Wobei ich mal gehört habe, dass die französische “Haut-cuisine” sich einst aus der englischen Küche entwickelte. Wie auch immer, hauptsache, es schmeckt!
Die englische Küche hat zu unrecht so ein schlechten Ruf! Obwohl zerkochtes Gemüse leider anscheinend dazugehört, zumindest bei den Erbsen ist es Pflicht 😉
Jetzt habe ich richtig Lust auf Beef Stew 🙂
Liebe Grüße
Emma
Das mag sein, aber ich fürchte, ich habe eine unüberwindbare Abneigung gegen totgekochtes Gemüse. 😉
Liebe Grüße,
Eva
Die englische “Küche” war bisher auch nicht die meine, aber ich lasse mich da ebenfalls eines besseren belehren und nehme das Rezept mal mit.
Alleine diese Scheibchen da oben drauf – die Neugier ist geweckt!
Hm, ist die australische Küche nicht irgendwo auch sehr von der englischen beeinflusst? 😉
Lasst es euch schmecken!
Muss ich nachkochen:)
Endlich habe ich es wieder geschafft, deinen Nachkochreflex zu aktivieren. 🙂
Ja man braucht einfach Zeit beim Kochen und die habe ich so selten. Aber morgen ist mein letzter Krankheitstag und der wird mit nachkochen gefeiert:) Inspiriert bin ich immer beim Lesen deines Blogs:)))
Danke, Xeniana. Ich hoffe, es hat alles gut geklappt! 🙂
Liebe Grüße,
Eva
Habs natürlich nicht geschaftt…aber im März habe ich eine Woche Urlaub:)
Dann drücke ich die Daumen, dass es dann passt!
Lustig – ich hab auch mal was mit so einem Hauberl gekocht (http://diekuechenschabe.blogspot.co.at/2013/10/schwein-mit-hauberl.html), das war allerdings ein australisches Rezept, dort mag man sowas also auch sehr gerne :-))
Stimmt. Daran erinnere ich mich gut. Mit Käse im Teig macht man ganz sicher nichts verkehrt und die australische Küche ist ja eng mit der englischen verbunden… 🙂