Versteh einer die Patisseure! Sie kreieren eine Köstlichkeit nach der anderen und versehen diese mit phantasievoll klingenden Namen. Da ich schon von jeher sprachfixiert bin, will ich natürlich stets wissen, was es mit diesen Namen auf sich hat. Aber leider war auch in diesem Fall das Geheimnis der Namensgebung auch nach intensiver Recherche nicht zu lüften. Curley schreibt lediglich einleitend, er habe die Schnitten während seiner Zeit bei Pierre Romeyer im Maison du bouche (Belgien) kennengelernt. In der traditionellen Version mit Mandelbiskuit und Buttercreme seien sie dort häufig als Dessert serviert worden. Die belgische Spezialität sei aufgrund der günstigen Zutaten einst ein Arme-Leute-Dessert gewesen. Ich las diese Zeilen und staunte. Die abgebildeten eleganten Schnitten sahen nicht wie etwas aus, dass ich als Arme-Leute-Dessert bezeichnet hätte. Ich forschte weiter, las mich durch mehrere Interpretationen und Inhaltsangaben von Hugos Roman “Die Elenden”, aber eine auch noch so entfernte Parallele zu dem hauptsächlich politisch motivierten Werk war nicht feststellbar. Also gönnte ich Mr. Curley dieses Geheimnis und widmete mich stattdessen dem Backen. Herr H. hatte zuvor die komplizierten Berechnungen angestellt.
Für den Mandel-Dacquoise (2 Böden à 16 cm):
- 47 g gemahlene Mandeln
- 14,5 g Butter
- 37,5 g Zucker A
- 9,5 g Stärke
- 49 g Eiweiß
- 37,5 g Zucker B
- ca. 20 g geröstete und gehackte Mandeln zum Bestreuen
Ich vermischte die gemahlenen Mandeln mit 37,5 g Zucker und der Stärke. Herr H. schlug inzwischen das Eiweiß mit dem restlichen Zucker zu fast steifem Schnee. Ich rührte einen EL davon in die geschmolzene Butter. Herr H. hob die Nussmischung unter den Schnee, ich gab die Buttermischung hinzu und hob sie ebenfalls behutsam unter. Die fertige strich ich in 16 cm Kreisen auf das Backpapier. Herr H. bestreute die Kreise mit den gehackten Mandeln. Bei 170°C (mit geöffnetem Zug) buk ich sie ca. 20 Minuten. Das erwies sich als absolutes Zeitmaximum. Die Böden sollten keinesfalls fest und zäh werden, sondern außen knusprig und innen zart schmelzend bleiben. Nach dem Abkühlen bewahrte ich sie luftdicht verpackt auf.
Für den Joconde-Biskuit mit Matcha (2 Böden `16 cm):
- 31,5 g Puderzucker
- 31,5 g gemahlene Mandeln
- 9,5 g Weizenmehl 405er
- 2,5 g Matcha (mit dem Mehl gesiebt)
- 41,5 g Ei
- 7 g flüssige Butter
- 25 g Eiweiß
- 7,5 g Zucker
Herr H. gab Puderzucker, gemahlene Mandeln, Mehl, Matcha und Ei in eine Schüssel und schlug alles 10 Minuten lang zu einer luftigen Schaummasse auf. Ich heizte den Backofen auf 190°C vor, schmolz die Butter kurz darin und schlug Eiweiß und Zucker zu steifem Schnee. Dann gab ich die Butter langsam in die Eischaummasse, während Herr H. langsam rührte und hob zuletzt den Eischnee unter. Ich strich die Masse dünn auf das Backpapier, auf dessen Rückseite ich zwei 16 cm Kreise gezeichnet hatte, und buk den Biskuit ca. 12 Minuten. Was schon fast ein wenig zu lang (oder zu heiß) war. Der Biskuit war an den dünneren Stellen schon zu stark gebräunt. Nach dem Abkühlen bewahrte ich ihn luftdicht verpackt auf.
Für den Yuzu-Sirup:
- 15 g Zucker
- 30 g Wasser
- 10 g Yuzusaft
Ich kochte Zucker und Wasser ca. 2 Minuten und rührte nach dem Erkalten den Yuzusaft unter. Vor dem Zusammensetzten der Torte tränkte ich beide Matcha-Joconde-Böden großzügig damit.
Für die Karamell-Buttercreme:
- ca. 250 g italienische Buttercreme
- ca. 63 g japanischer Muscovado-Karamell (ich: salzige Karamellsauce)
Für den japanischen Muscovado-Karamell (der Vollständigkeit halber):
- 18,5 g Sahne
- 1/10 Vanillestange (ich: 1/4 TL Vanilleessenz)
- 18 g Zucker
- 19 g Muscovado-Zucker
- 6 g Glukosesirup
- 30 g weiche Salzbutter
Ich gab die Hälfte beider Zuckerarten und den Glukosesirup in einen Topf und ließ alles bei mittlerer Hitze schmelzen. Der Muscovado-Zucker wurde dabei milchig trüb. Hm, das sah im Buch anders aus. Egal, ich gab den restlichen Zucker hinzu und ließ auch ihn schmelzen und karamellisieren. Dabei konnte ich mich nur am Geruch orientieren, da der Muscovado-Zucker an sich schon dunkelbraun ist. Ich gab die (kalte) Sahne hinzu, rührte sie kurz ein und zog den Topf vom Herd. Dann gab ich stückweise unter Rühren die Butter hinzu, die sich jedoch partout nicht mit dem Rest verbinden sollte. Nach dem Abkühlen in einer Schüssel war das Karamell betonhart (die Butter hatte sich abgesetzt) und unbenutzbar. Hilfreiche Hinweise werden dankend entgegen genommen. Ersatzweise bereitete ich anschließend ein Karamellsauce nach Felder.
Für die salzige Karamellsauce:
- 35 g feiner Zucker
- 75 g Sahne
- 20 g Butter
- 1 Pr. Fleur de Sel
Ich ließ den Zucker bei mittlerer Hitze goldbraun karamellisieren, goss die (heiße! denn so verbindet sie sich leichter mit dem Karamell) Sahne an und rührte sie ein. Dann rührte ich Butter und Fleur de Sel unter und ließ das Karamell nochmals kurz aufwallen. Anschließen füllte ich es zum Abkühlen in ein Schälchen. Den abgekühlten Karamell hob ich mit dem Schneebesen unter die raum temperierte Buttercreme. Sie sollte sogleich verwendet werden.
Ich legte den ersten Dacquoise-Boden in die mir Tortenrandfolie ausgekleidete 16 er Springform, bestrich ihn mit einer dünnen Schicht Buttercreme und legte den ersten getränkten Joconde-Boden ein. Eine weiter dünne Schicht Buttercreme, der zweite Joconde-Boden. Wieder Buttercreme und darauf den zweiten Dacquoise-Boden mit der Oberseite nach unten. Curley belässt es dabei, besträubt die Oberfläche teils mit Matcha und dekoriert mit restlicher Buttercreme. Ich verzichtete darauf, verstrich den letzten Rest Buttercreme gleichmäßig auf der Oberfläche und stellte die Torte kalt.
Für die Matcha-Glasur:
- 2 g Gelatine, in kaltem Wasser eingeweicht
- 27 g weiße Kuvertüre, fein gehackt
- 13 g Zucker
- 27 g Glukosesirup
- 27,5 g Wasser
- 17,5 g Crème double
- 1,3 g Matcha in 2,5 g Wasser gelöst
Ich kochte Zucker, Glukosesirup und Wasser bis 103°C, rührte Crème double, Matchapaste und Gelatine unter und goß die Flüssigkeit über die gehackte Kuvertüre. Nach 2 Minuten Ruhezeit pürierte ich den Guss in der Schüssel. Das geht sicher einfacher (und mit weniger Lufteinflüssen von statten), wenn man eine größere Menge Guss herstellt. Aber ich mag keine Reste mehr im Kühlschrank herumdümpeln lassen und stelle deshalb nur noch passgenaue Mengen her. Lieber eine kleine Luftblase im Guss als verschimmelter Guss im Kühlschrank. Nachdem der Guss auf ca. 35°C abgekühlt war, gab ich ihn auf die Tortenoberfläche. Nach einer weiteren Stunde des Kühlens war er fest. Ich löste die Torte aus der Form, schnitt wie üblich die Ränder ab und aus der Mitte 4 rechteckige Schnitten.
Fazit: Gleich nach dem Fotografieren verkosteten wir die Schnitten. Dezentes Karamellaroma, unglaublich zart-schmelzende Buttercreme, knuspriger (noch leicht zäher, die Schnitten profitieren definitiv vom 2-tägigen Durchziehen) und ein frische Yuzunote. Ich war hellauf begeistert. Herr H. merkte an, dass es ihm schmecke, ihm aber das gewisse Etwas fehle. Diesen Eindruck korrigierte er am nächsten Abend. Es scheint, als bräuchten diese “elenden” Schnitten eine gewisse Zeit um zur Höchstform aufzulaufen. Ich werde nun, am dritten Tag, eine weitere Geschmacksprobe nehmen und berichten.
Aus: Patisserie William & Suzue Curley
Karamellsauce aus: Chocolat Christophe Felder
hach, schon wieder eine dieser köstlichen Kreationen…. es wird Zeit dass ich mir Zeit nehme, scheint mir. Zeit mußten diese Elenden jedenfalls auch mitbringen….
Danke, Ninive. Ein bisschen Zeit hat es gebraucht, das stimmt, aber eigentlich sind die Schnitten nicht sonderlich kompliziert… 🙂
also Zeit, Geduld und Muße- alles Mangelware!
Kommt Zeit, kommt Rat. 😉
früher oder später….
Also miserabel schauen diese Schnitten wahrlich nicht aus! Solche Namensgebungen find ich ehrlich gesagt grenzwertig, denn Sprache erzeugt Wahrheiten im Kopf.
Aber ich kenn mich mit Patisserie nicht aus, vielleicht gehört das dort zum guten Ton.
Danke, Susi. Das finde ich eben auch, also das mit den Wahrheiten im Kopf erzeugen durch Sprache. Ich habe echt lange herumgesucht, aber partout nix gefunden und wenn das zum guten Ton in der Patisserie gehört, dann sollte man das schleunigst ändern. 😉
Alleine optisch sehen die Schnitten mit der grünen Schicht wunderbar aus. Ich finde es immer interessant, wenn sich der Geschmack von etwas nach 1-2 Tagen noch ändert, man kennt es ja auch von Eintöpfen oder Aufläufen die nochmals aufgewärmt besser schmecken.
Und das mit der heißen Sahne für das Karamell merke ich mir 😀
Danke, Sandra. Auch am dritten Tag waren die Schnitten noch wunderbar, nun sind sie allerdings alle verschwunden. Was soll ich bloß als nächstes backen? 😉
Die Namensgebung bleib nach Lektüre deines Beitrags in der Tat ein Rätsel, Eva 🙂 . Obwohl ich ja bekanntermaßen kein ausgewiesener Matchafan bin, kann ich mir durch deine lebendige Beschreibung, den Geschmack der Schnitten sehr gut vorstellen und denke, dass sie auch mir gefallen würden. Auf alle Fälle ist dir wieder zusätzlich ein Augenschmaus gelungen!
Wir teilen ja die Yuzu Leidenschaft. Woher hast du den Saft? Ich habe mir aus Paris flüssiges Yuzu Konzentrat mitgenommen. Das geht sicher auch, denke ich.
Liebe Grüße
Maren
Danke, Maren. Ja, ich denke auch, dass sie dir geschnmeckt hätten, der Matcha kam nicht besonders stark durch. Ich würde die Joconde-Böden beim nächsten Mal auch noch etwas intensiver tränken, bzw., vielleicht sogar noch eine Fruchtschicht dazuschmuggeln. Den Yuzu-Saft hat mir meine Schwester aus Japan mitgebracht, hier habe ich leider noch keine Quelle aufgetan. Es gibt im Asia-Laden zwar welchen, aber darin befindet sich keine Yuzu. 😉 Dein Konzentrat ist da sicher besser!
Liebe Grüße,
Eva
Ist noch was vom Rand übrig für solche Naschkatzen wie mich?
Himmlisch.
Leider nicht mehr, aber falls du mal vorbeischaust, darfst du dir eine Torte wünschen. 🙂
Jetzt bin ich restlos begeistert.:-)
Schönes Wochenende wünsche ich .
Dir auch, Ute! 🙂
Wahnsinn Eva, die sehen ja aus wie im Buch! Ich muss mir auch mal wieder Zeit nehmen und mich an einem Rezept daraus versuchen – die Armseligen sind mit einem Einmerker versehen. Wobei auch ich mich schon gefragt habe, wie so eine Köstlichkeit zu so einem Namen kommt.
Danke, Susanne. Aber ich finde die kunstvoll aufdressierte Buttercreme auch recht hübsch. 😉 An die Misérables kannst du dich getrost heranwagen, die sind wirklich nicht schwierig – und eine Umrechnung hast du nun ja schon. 🙂
Vielleicht heissen die Schnitten so, weil die Zubereitung so elend lang ist? Oder elend kompliziert? 😀
Das glaube ich nicht, Cookie. Im Vergleich mit anderen Torten kommen sie eher schlicht daher. 😉
Tolle Bilder, Respekt. Sieht wunderschön aus und macht Appetit. 🙂
Danke schön für das liebe Kompliment! 🙂
Danke schön für die Bilder 🙂
o dieses herrliche Grün… du und dein Mann seid wahre Künstler und Genießer ….
Danke, Alexia. Ja, ich geben zu, dass wir eine klein “Genussschwäche haben”. 😉
Was? Die überleben 3 Tage? 😉 Ich lese Yuzu und weiss, das würde ich mögen!
Liebe Grüsse aus Zürich,
Andy
Du weißt ja, Andy, alles in Maßen. 😉
Liebe Grüße aus Hamburg,
Eva
Wie immer sehr schön! Ich habe zugegebenermaßen die Schnitten im Buch bisher immer überblättert. Mit allem, was grün ist, brauch ich hier leider nicht anzukommen. Nicht in Gebackenem und leider auch viel zu oft mit Gemüse.
So hatte ich auch gar nicht registriert, dass auch eine Mandeldaquoise verwendet wird und noch Yuzu – für mich sa dass bisher immer nach was mit Matcha und Buttercreme aus 😉
ein Grüßle,
Barbara
Danke, Barbara. Zu schade. Ich finde gerade, dass Matcha sich in Gebäcken ganz famos macht. Zum Glück ändern sich die Geschmacksvorlieben irgendwann. Es besteht also Hoffnung. 😉 Und geschmacklich sind die Schnitten sehr fein! 🙂
Liebe Grüße,
Eva
Welch zauberhafte, verführerische Schnitten! Die Aufnahmen sind klasse! Und das GRüüüüün atemberaubend!
Danke fürs Rezept! Matcha…kenne ich noch nicht, wo kann ich das kaufen? und um was handelt es sich da?
Liebe noch unwissende, aber verführte Grüße
Gabi
Danke, Gabi. Das Fotokompliment gebe ich mal an Herrn H. weiter. Matcha ist ein sehr fein vermahlener (pulveriger) japanischer Grüntee, den du in jedem “besseren” Teeladen bekommen solltest.
Liebe Grüße,
Eva
Danke dir liebe Eva!
Gern geschehen. 🙂
Oooh, japanisch inspirierte Tortenpracht… ich bin hin und weg 🙂
Hätte sich als Nachtisch zu deinen Soba-Nudeln sicher gut gemacht. 😉
Was daran elend sein soll, ist mir auch ein Rätsel…Wenn das Arme-Leute-Essen ist, würde ich mir glatt überlegen, ob ich zu reich bin 😉 Liebe Grüße Melanie
So ging es mir auch. Vielleicht kannst du den Franzosen ja zum Nachbacken animieren. Würde sich lohnen. 😉
Liebe Grüße,
Eva
Ich kann mir die Übersetzung nur mit dem elend lange Warten erklären, bis diese Leckerei zum Verzehrgenuss empfohlen wird – so etwa wie bei einem “grossen” Wein.
Zumindest die “Hammer-Fotos” würde ich als “les rêves en vert” bezeichnen. 🙂
Danke schön. 🙂 Wobei ich glaube, dass das Warten auf einen “großen” Wein doch erheblich länger dauert. In der Zeit wären ziemlich viele Torten zu realisieren. 😉
Für mich sind das Wunderbackwerke.
Liebe Grüße
Gerd
Der Name gefällt mir viel besser, ich werde ihn M. Curley vorschlagen. 😉
Liebe Grüße,
Eva
Hallo,ich finde diese grüne-weisse töne sehen sehr appetitlich aus. Hmm! Würde gern dabei sitzen und probieren! Ich mag auch gern wissen wieso Kuchen bestimmte Namen tragen. Da die familie von mein Mann aus Belgien ist und ich schon dort diese köstliche kuchen schon gekostet habe kenne die Geschichte so: dass ein berühmte belgische patissier in der 19 Jahrhundert diese Kuchen erfunden hatte und er hatte Victor Hugo sehr gern . Diese letzte lebte in Bruxelle in den Jahren um 1850 und um ihm zu ehren gab er der Name der letzte Roman den V. Hugo geschrieben hatte in der Zeit der entstehung der Kuchen. Manchmal sind die Name einfach aus dem Leben gegeben….Ich hoffe sie verstehen mich weil ich französin bin und nicht immer weiss wie ich die Sätze umdrehen soll…
Viele gute creations gourmandes
Mataton
Danke, Mataton! Ich verstehe alles perfekt. 🙂 Das klingt nach einer recht plausiblen Erklärung und es stimmt, oft sind solche Namen einfach direkt aus dem Leben gegriffen. Schön, dass ich den Ursprung dieses Names nun kenne.
Liebe Grüße,
Eva
Dein Gebäck sieht immer sooo wunderschön aus. Da könnte ich gerade zum Süßesser werden! Und zu Les Miserables fällt mir ein Dialog aus dem Hugendubel ein: Kunde: “Wie sind denn so “Die Elenden” von Victor Hugo? Ich würde das Buch gerne einem frankophilen Freund schenken”. Buchverkäufer: “Also, das Musical fand ich gut…” Als Literaturstuden hab ich damals nur den Kopf auf die nächstgelegene Tischplatte geknallt 😉
Danke, Julia. Ich bin sicher, dass dir die Schnitte geschmeckt hätte. 🙂
Und diese Art Dialoge kenne ich ziemlich gut. Wobei ich zugeben muss, dass ich die Elenden nicht gelesen habe. Ich bekam sie zur Konfirmation geschenkt und habe nicht mehr als die ersten paar Seiten geschafft…