Je länger ich mich mit der Aggregatveränderung von Nahrungsmitteln beschäftige, umso deutlicher tritt die unvermeidliche Erkenntnis zutage, wie wenig ich darüber weiß. Als ich noch kaum etwas wusste, nahm ich an, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Das hat sich inzwischen grundlegend verändert. Ich bin weit zurückgerudert und weiß jetzt, was ich nicht weiß. Und das ist eine ganze Menge. Warum, um nur ein Beispiel zu nennen, wird mit Kokosblütenzucker geschlagener Eischnee nicht steif? Ein echtes Rätsel. Andererseits kann ich inzwischen klarer einschätzen, was ich kann. Brücken schlagen, Analogien bilden und mich an bestimmte Details, mögen sie auch vor noch so langer Zeit in mein Bewusstsein gerückt sein, erinnern. Das alles hilft. Aber noch immer gelingt es mir nicht, völlig selbstständig den gewissen Dreh zu entwickeln. Dazu braucht es nach wie vor Inspiration, so wie hier. Ein ganz einfacher Trick, eigentlich. Wäre ich nur selbst darauf gekommen!
Für das Gulasch:
- 4 Schalotten, in feine Scheiben geschnitten
- Olivenöl zum Anbraten
- 500 g Gulasch, halb Rind, halb Schwein (ich: Jungrind)
- 1 knapper EL Tomatenmark
- 170 g Rotwein
- 250 g Fleischbrühe
- 1 Lorbeerblatt
- 2 Nelken
- Rosenpaprika nach Belieben
- Salz, schwarzer Pfeffer
- ca. 1 TL Pfeilwurzstärke in etwas kaltem Wasser gelöst
Wie bei jedem Schmorgericht briet ich zunächst die Fleischwürfel portionsweise sehr scharf an, stellte sie beiseite und reduzierte die Temperatur. Nun durften die Schalotten ca. 10 – 15 Minuten im gleichen Topf braten. Dann gab ich das Tomatenmark hinzu, schmurgelte es kurz mit und fügte das Fleisch wieder hinzu. Ich löschte mit Rotwein und Brühe ab, gab die Gewürze hinzu und ließ das Gulasch ca. 1,5 Stunden bei schwacher Hitze köcheln. Anschließend siebte ich die Flüssigkeit ab, gab sie zurück in den (gesäuberten) Topf und reduzierte sie ca. auf die Hälfte. Sollte sie noch nicht sämig genug sein, kann mit Pfeilwurzstärke gebunden werden. Ich schmeckte noch einmal mit Salz und Pfeffer ab, gab das Fleisch zurück in die Sauce und stellte den Topf bis zum Servieren warm.
Für das Paprika-Tomaten-Topping:
- 1 rote Paprika, grob gewürfelt
- 3 – 4 kleine Tomaten
- Olivenöl zum Braten
- Zucker, Salz
Herr H. hatte die Tomaten überbrüht, gehäutet, in Spalten geschnitten und entkernt und die Paprika gewürfelt. Er briet erst Paprika (ca. 5 Minuten) und dann Tomaten im Olivenöl an, bis beides den gewünschten Gargrad (bei uns eher weich) hatte, schmeckte mit Salz und Zucker ab und stellte das Topping ebenfalls warm. Die nächste Aufgabe wartete bereits auf ihn.
Für das Kartoffelpüree mit Vanille:
- ca. 300 g Kartoffeln (geschält gewogen), grob gestückelt
- 20 g Butter
- 50 – 100 g Milch
- Salz, weißer Pfeffer
- etwas Vanillenschote, gemahlen
Kartoffelpüree bereiten wir beide völlig unterschiedlich zu. Herr H. schwört darauf, geschälte Kartoffelwürfel in Salzwasser zu garen, sie dann im Topf mit der Gabel zu zerdrücken und dann erst Butter und Milch einzuarbeiten, bis die gewünschte Konsistenz erreicht ist. In diesem Fall schmeckte er das Püree zusätzlich mit etwas fein gemahlener Vanille ab. Ich bin der festen Überzeugung, dass das Püree “besser” wird, wenn man die Kartoffeln als Pellkartoffeln gart, noch heiß pellt und zweimal durch die Kartoffelpresse gibt. Butter und Milch erhitze ich, bevor ich die gepressten Kartoffeln zugebe, so dass das fertige Püree gleich die perfekte Temperatur hat. Da wir in dieser Frage beide kompromisslos sind, entscheidet vor jeder Püreezubereitung der Münzwurf, so dass eine gerechte Abwechslung gewährleistet ist.
Fazit: Die Idee, Paprika und Tomaten nicht mit dem Fleisch mitzugaren, sondern sie separat als “Topping” (was für ein Wort) zu servieren, gefiel uns beiden ausnehmend gut. Das Gulasch empfanden wir auf diese Art zubereitet als “purer”, aromatischer und mit einem kräftigeren Fleischgeschmack als Gulasch, das mit einer Vielzahl von Gemüsen gemeinsam geschmort wird. Paprika und Tomaten steuerten eine fruchtig-säuerliche Not bei und die Vanille im Püree ergänzte das Ganze vortrefflich und wer weiß, vielleicht bin ich in einigen Jahren auch soweit, mir so etwas selbst ausdenken zu können und wenn nicht. Nun, dann gibt es vermutlich immer noch genügend Inspiration von Außerhalb.
Aus: Neue Deutsche Küche Frank Rosin
In diesem Fall stimme ich Herrn H. zu. Salzkartoffeln kochen, zerdrücken und mit Milch und Butter zu Kartoffelstock veredeln. Durchgedrückte Pellkartoffeln sind für mich….*räusper*… halt durchgedrückte Pellkartoffeln, die mit Milch und Butter vermischt wurden. Klingt doof, ist aber so. 😉
Da du die erste bist, die sich gegen mich wendet, sei dir vergeben. 😉
Ich mache das Püreeflocken auch wie Herr H. Allerdings bisher immer ohne Vanille. Das wird sich ändern ?
2:0 – ob ich das gut finde? 😉
Sehr lecker! Ich liebe Gulasch über alles! Der Italiener leider weniger, aber vielleicht kann ich ihn mit dieser Variante ja bekehren – ich werde berichten 😀
Ein so puristisches Gulasch kann der Italiener einfach nicht vom Teller schubsen. 😉
Einmal mehr: sehr schön!
Ihr macht das ganz einfach wunderbar. Nie habe ich das Gefühl, ein Rezept aus einem Buch vorgesetzt zu bekommen, bis ich dann zum Schluss lese «Aus: …».
Das mit dem «selbst ausdenken können», ist halt so eine Sache. Den Anfang macht bestimmt ein Fundus, von welchem ihr reichlich habt, um zu kombinieren. Ich meine damit: etwas von «jenem» zu nehmen und mit etwas von «anderswo» zusammenzufügen – dabei aber zu denken «das mache ich allerdings SO».
Also: gerne weiter SO!
FEL!X
Danke, Felix.
Wir geben uns die größte erdenkliche Mühe und das Nachkochen macht (mit einem gewachsenen Erfahrungsschatz) ja auch viel mehr Freude, da man nur noch selten auf leider häufig vorhandene Rezeptfehler hineinfällt.
Liebe Grüße aus Hamburg,
Eva
Höchst interessant! Auf die Idee wäre ich selbst auch nicht gekommen. Die Tomaten landen bei mir normalerweise auch direkt im Gulasch drin. Aber ich gebe dir recht: das “Kreieren” eigener Rezepte und Kombinationen ist durchaus keine leichte Sache, selbst wenn man den grössten Rezeptefundus irgendwo im Kopf hat. Schliesslich muss man die Ideen auch im richtigen Moment abrufen können. Das Prinzip “deconstruction”, wie hier auch einmal mehr erfolgreich bewiesen, hat sich aber auch bei mir bewährt 😉
Danke, Marco.
Nein, das ist es leider nicht und manchmal frage ich mich auch, wieviel wahrhaft “Neues” es überhaupt noch zu “entdecken” gibt. Aber das ist ein anderes weites Feld. Dekonstruktion ist auf jeden Fall eine schöne Idee. 🙂
Ab einen gewissen Alter muss wohl alles püriert werden?
So weit sind wir zum Glück noch nicht. 😉
Beim Püree bekommt Herr H. meine Stimme – sorry Eva 😉 Für das Gesamtwerk gebührt euch aber Beiden Dank und Lob, sehr fein 🙂
Liebe Grüsse aus Zürich,
Andy
Danke, Andy. Aber das auch du nicht auf meiner Seite stehst – tststs. 😉
Liebe Grüße aus Hamburg,
Eva
sehr interessante Gulasch-Variante, da hätte ich gern ein Versucherle gehabt; denn so wie ich mich kenne wird das Nachmachen schwierig.
Das ist leider nicht mehr möglich, da wir das Gulasch schon in der letzten Kaltperiode genossen haben. 😉
also ich bin beim Püree ganz bei dir, liebe Eva, und ich drücke die Erdäpfeln aber nur 1x durch die Presse in die aufgekochte Milch, macht nichts, wenns bröckelig wird…
dein Gulasch mit Topping gefällt mir! lg
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Danke, Friederike, Schwester im Geiste, endlich!!! Bröckelig wir die mir auf die Art nie etwas.
Liebe Grüße,
Eva
das klingt ja sehr lecker !
Nicht lang zögern, einfach nachkochen. Dann kann selbst geurteilt werden. 😉
habe ich so auch noch nicht gesehen. Sieht auf jeden Fall sehr gut aus und ich kann mir das gut vorstellen.
War auch klasse. 🙂
In Sachen Püree habe ich bisher immer gekochte Salzkartoffeln verwendet. Milch und Butter habe ich nach und nach, während ich sie gestampft habe, zugegeben.
Ich werde eure beiden Varianten auch einfach mal ausprobieren – und mich dann ggf. neu aufstellen. 😉
Liebe Grüße,
Sarah
Das beste Püree, das ich je gemacht habe, war mit bei 70°C vorgelatinierten Kartoffelstückchen, die anschließend gegart, 2 Mal durch die Presse gegeben und in der Maschine mit Butter und Milch aufgeschlagen wurde. Einfach himmlisch, aber eben, für den “Alltag” etwas zu aufwendig. Bin gespannt, was deine Testreihe ergeben wird. 🙂
Liebe Grüße,
Eva