Kürzlich hielt Herr H. mir beim Heimkommen eine merkwürdig gedrungene, recht kleine Wurzel entgegen. Ob ich wisse, was das sei? Nachdem ich sie eingehend studiert hatte, konnte ich nur ratlos die Schultern heben. Für eine Kerbelwurzel war ihre Schale zu glatt und glänzend. Zusätzlich mit sie mit tiefen Furchen versehen. So eine Wurzel hatte ich tatsächlich noch nie gesehen. Ob Herr H. mich nun bitte aufklären könne. Selbstverständlich könne er das. Es handele sich, setzte er bedeutungsvoll an, um eine knollige Kapuzinerkresse, eine echte Rarität, über deren Fund er sich mächtig freue. Könnten wir doch nun endlich das zweite Rezept aus Frau Matschers Kochbuch testen. Vom ersten seien wir doch so begeistert gewesen. Recht erstaunt von so umsichtiger Vorausplanung gab ich mich geschlagen, zumal es sich um ein Risotto handelte. Und Herrn H.s Verhältnis zu diesem wurde durch jahrelange Überdosis sehr zu meinem Leidwesen arg getrübt. Risotto also, in fein. Die Zubereitung zieht sich ein wenig, wie üblich bei den Rezepten aus diesem Buch. Ein perfektes Projekt fürs Wochenende.
Für das Kapuzinerkressegelee (einige Stunden im Voraus herstellen!):
- 50 g Kapuzinerkresseblätter (oder Brunnenkresse)
- 1,5 Blatt Gelatine (funktioniert nicht!)
- 15 g Gemüsefond
- Salz, Pfeffer
Die Umsetzung des Rezepts begann mit der Vertrauensfrage. Frau Matscher (oder die Rezeptautoren) stellen das Gelee mithilfe von Gelatine her. Nach dem Erstarren sollen erbsengroße Tupfen auf das fertige, heiße! Risotto dressiert werden. Da das erste Rezept aus dem Buch tadellos funktioniert hatte, schaltete ich mein Hirn aus, pürierte die Kresseblätter mit dem Fond und löste die Gelatine im Wasserbad auf. Ich gab zunächst 2 EL des Pürees hinzu und verrührte dann alles gründlich. Nach 4 Stunden im Kühlschrank war das Gelee erstarrt. Ich gab es in einen Spritzbeutel und legte ihn bis zum Anrichten zurück in den Kühlschrank.
Um es kurz zu machen. Natürlich schmolzen die Kügelchen auf dem Risotto sofort wie Schnee in der Frühlingssonne. Einigermaßen entsetzt beobachtete ich den Schmelzvorgang. Statt eleganter Kügelchen schwammen nun grüne Flatschen auf dem schönen Risotto. Was für ein Mist. Herr H. wiegelte ab. Auch die grünen Tupfen sähen doch klasse aus. Ich solle mich doch nicht aufregen. Nachdem ich Ärger und Enttäuschung gründlich Luft gemacht hatte, schalt ich mich ob des ausgeschalteten Denkens. Natürlich kenne ich den Schmelzpunkt von Gelatine. Er liegt ungefähr bei 35°C. Ich vermute, man benötigt zur Herstellung des Gelees hitzebeständige Geliermittel wie Agar oder Gellan. Agar hätte ich sogar zur Verfügung gehabt, wobei das zu Gelierende bei der Verwendung von Agar aufgekocht werden muss und das leuchtend grüne Kressepüree hätte dadurch wahrscheinlich seine schöne Farbe verloren. Auch Gellan ist nicht kalt löslich (steht zumindest hier). Es muss jedoch nicht bis 100°C erhitzt werden, sondern löst sich zwischen 85 und 95°C. Ob die Farbe bei dieser Temperatur erhalten bliebe, weiß ich leider (noch) nicht. Ich werde nach dem Testen berichten und habe mir nach dieser Erfahrung geschworen, keinem Kochbuch mehr blind zu vertrauen, mag es auch noch so sympatisch daherkommen.
Für den geschmorten Kürbis:
- 750 g Kürbis (ich: Hokkaido), geschält, grob gewürfelt, Schale aufheben!
- 1 TL Rosmarin, getrocknet
- 1 Knoblauchzehe, gehackt
- Salz, schwarzer Pfeffer
Ich verteilte die Kürbiswürfel auf ein mit Backpapier belegtes Blech, gab wenig Olivenöl darüber und vermengte die Würfel mit den Gewürzen. Herr H. hatte bereits den Backofen auf 190°C vorgeheizt. Insgesamt garte ich sie eine gute halbe Stunde. Nachdem sie etwas abgekühlt waren, pürierte ich sie fein und stellte das Püree beiseite.
Für den Kürbisfond:
- 1 l Wasser
- 20 g Parmesanrinde
- 2 Lorbeerblätter
- die Kürbisschalen von oben
Ich gab alle Zutaten für den Fond in einen Topf und ließ alles nach dem Aufkochen 30 Minuten abgedeckt leise köcheln. Dann siebte ich die Flüssigkeit durch das feine Sieb und stellte die warm. Herr H. hatte in der Zwischenzeit die Zutaten für den Risotto bereit gestellt.
Für den Risotto und das Finish:
- 140 g Carnaroli-Reis
- Olivenöl
- 1,5 EL Weißwein
- 750 g Kürbisfond
- 300 – 400 g Kürbispüree aus geschmortem Kürbis
- 30 g Parmesan, fein gerieben
- 30 g Butter
- Salz, Pfeffer
- 1 knollige Kapuzinerkresse, hauchdünne Scheiben
- 10 g Lupinenkaffee
- Kapuzinerkressegelee
Er erhitzte das Olivenöl, röstete den Reis ein paar Minuten darin und löschte mit Wein und etwas Fond ab. Als die Flüssigkeit verdampft war, fuhr er fort, Fond hinzuzugeben bis der Reis al dente gegart war, das dauerte ca. 18 Minuten. Während des Garvorgangs rührte er gelegentlich, nicht ständig. Dann zog er den Topf vom Herd, rührte Püree, Parmesan und Butter unter und schmeckte mit Salz und Pfeffer ab. Ich verteilte den Risotto auf vorgewärmte Teller, dekorierte mit Wurzelscheiben, Kaffee und Gelee (s. so.) und nach kurzer Wartezeit konnten wir endlich kosten.
Fazit: Zum Glück hatte ich zu dem Zeitpunkt Ärger und Enttäuschung bereits vollends abgeschüttelt. Denn der Risotto überzeugte uns sowohl von Konsistenz, Gargrad und Geschmack. Der von Haus aus her leicht süße Kürbis bildete eine schönen Kontrast zur Schärfe des Kressegelees und der Kressescheibchen, die neben ihrer Schärfe noch eine sehr aparte blumig Note hatten, die mich an Jasmin erinnerte. Auch der Kaffee passte perfekt und ich werde den Risotto ganz sicher erneut kochen und dabei die Wirkungsweise von Gellan erforschen.
Aus: Schnittlauch statt Petersilie Anna Matscher
Hier gibt übrigens es eine gute Rezension des Buches von Christine!
Dankeschön! Im Winter-Teil bin ich weniger fündig geworden, Kürbis und Rote Bete mag ich nicht so sehr gerne, und so finde ich prima zu sehen wie du diese Dinge umsetzt. Klasse aussehen tut es, dein Risotto!
Danke dir, Christine! Ich habe mich zum Glück inzwischen mit dem Wintergemüse angefreundet. 🙂
Es gibt auch Wintergemüse das ich mag… das kommt aber in dem Buch kaum vor.
Ich gestehe an dieser Stelle, dass ich den Beginn der Spargelsaison kaum erwarten kann… 😉
Dein/Euer Risotto hat eine grossartige Farbe und hättest Du mir nicht verraten, dass Du eigentlich grüne Kügelchen auf dem Risotto wolltest … ach, ich bin mit Herrn H. einig, es sieht sowieso toll aus
Liebe Grüsse aus Zürich,
Andy
Danke, Andy. Der Kugeln werde ich schon noch Herr. 😉
Liebe Grüße aus Hamburg,
Eva
Der Risotto sieht toll aus, auch mit geschmolzenem Kresse-Dings. Christine hat mich auch endgültig angefügt, was das Buch angeht. Ich meine… Sie sprach von Teigtaschen… ?.
Was mir aber echt nicht klar ist…. Wo soll ich denn um diese Jahreszeit Kapuzinerkresse-Blätter herbekommen?
Danke, Susanne.
Ja, Teigtaschen sind eine ganze Menge im Buch. Ein Rezept stelle ich bald vor. Wo man die herbekommt, weiß ich leider auch nicht. Brunnnenkresse gab es im Frischeparadies, schmeckt ähnlich, denke ich. 😉
ich finde diese grünen … ähm Kügelchen…. seeehr schön! und jetzt würde ich sooo gerne wissen, wie knollige Kapuzinerkresse schmeckt… komische Knolle 😉
Danke, Sabine. Wenn man jedoch das Foto im Buch als Referenz hat…
Und die knollige Kapuzinerkresse findest du im Frischeparadies, die verschicken auch, glaube ich.
Mal wieder ein sehr spannendes Rezept, Eva! Ich bin ja auch immer für alles Neue zu begeistern und deinen Ärger über die nicht gelungenen Kugeln kann ich durchaus nachvollziehen, doch die Flecken im gelben Risotto sehen trotzdem genauso schön und kontrastreich aus. Schmunzeln musste ich, als ich las, dass die Knolle meist als Viehfutter verwendet wird. Du solltest also einen korrigierenden Eintrag bei Wikipedia vornehmen!
Liebe Grüße Maren
Danke, Maren. Es freut mich sehr, dass zumindest du meinen Ärger nachvollziehen kannst! 🙂 Das mit dem Viehfutter kann ich nicht ganz nachvollziehen, da ich weder Geschmack noch Geruch der Knolle als unangenehm empfand. Aber nun ja, so sind die Menschen verschieden.
Liebe Grüße,
Eva